Kein Terror in Bluewater
Der deutsche Regisseur Jan Henrik Stahlberg hat der dpa und der halben deutschen Medienlandschaft gezeigt, wie leicht es doch ist, falsche Nachrichten zu verbreiten: er inszenierte gestern einen Terroranschlag in Bluewater, einem 265-Seelen-Ort in Südkalifornien.
Ich will nicht auf alle Details eingehen, das hat das BILDblog in zwei Artikeln schon gemacht. Wichtig ist mir, dass die englischsprachige Wikipedia eine wichtige Rolle spielte.
Zum einen wurde ein Artikel über den erfundenen lokalen Fernsehsender KPVK-TV, der über den Anschlag berichtete
, angelegt; da Journalisten gerne Wikipedia für einen schnellen Fakten-Check benutzen, war das damit schon mal plausibel. Da hat sich jemand gut vorbereitet, denn der Artikel war korrekt kategorisiert, mit einer Infobox versehen und was sonst noch dazugehört, um legitim auszusehen.
Zum anderen wurde der Ortsartikel um eine gefälschte Website ergänzt, auf der falsche Telefonnummern der örtlichen Behörden standen. Anrufe dorthin wurden nach Deutschland umgeleitet, so dass Polizei
und Feuerwehr
allerlei über den Anschlag zu berichten
hatten.
Die Presse – vor allem eine große Nachrichtenagentur, deren Meldungen jeder vertraut – muss sich unter anderem mal wieder die Frage stellen, warum sie eigentlich Wikipedia als Quelle benutzt, wenn sie doch genau weiß, dass die nicht verlässlich ist (nicht zuletzt, weil sie darüber immer wieder berichtet). Sie könnten ja wenigstens die Versionsgeschichte durchsehen, ob da nicht in letzter Zeit irgendwas geändert wurde. Vielleicht wären sie dann ja nicht darauf hereingefallen?
Was ist mit unserer
Seite: hätte man von der Wikipedia aus irgendwie wirksam verhindern können, dass gezielt Fehlinformationen platziert wurden? Ich fürchte nein. Ein plausibler Artikel über einen Fernsehsender fällt nicht weiter auf, und der hinzugefügte Link zur Website der Stadt – oder jedenfalls etwas, das danach aussieht – auch nicht. Gesichtete Versionen hätten da auch nicht geholfen, denn selbst bei einer Überprüfung wäre man ja scheinbar auf echten Websites gelandet.
Nur eins würde ich kritisieren: Der Artikel war seit gestern Nachmittag als Hoax zur Schnelllöschung
markiert, wurde aber erst heute morgen gelöscht. Dauert das bei den englischsprachigenen Kollegen immer so lange?
Naja, bleibt zu hoffen, dass die Medien mehr Medienkompetenz entwickeln …