Virgin Killer
Virgin Killer
ist der Titel eines Albums, das die Scorpions 1976 veröffentlicht haben. Das Cover erregte damals großes Aufsehen: es zeigte ein nacktes, 10- bis 12-jähriges Mädchen (das ist jedenfalls die Spanne, die ich an verschiedenen Stellen gelesen habe). Nur ihr Schambereich ist verdeckt – durch einen Sprung-in-der-Scheibe
-Effekt.
32 Jahre später sorgt ein Bild dieses Covers dafür, dass viele britische Internetanbieter alle Zugriffe auf Wikipedia und ander Wikimedia-Seiten über transparente Proxys umleiten, um den Zugriff auf den englischen Wikipedia-Artikel zum Album und auf die Bildbeschreibungsseite zu verhindern. Offenbar sind diese Seiten als dem Index der Internet Watch Foundation (IWF) gelandet, einer britischen Organisation, die hauptsächlich gegen Kinderpornographie vorgeht und der viele Internetanbieter angehören. Genau sagen lässt sich das nicht, denn die IWF sagt weder den Betreibern der gesperrten Seiten etwas von der Sperrung, noch gibt sie die Liste der gesperrten Seiten heraus, und bisher hat sie weder bestätigt noch dementiert, ob sie dafür verantworlich ist.
Das mag bei echten Kinderporno-Webseiten sicher auch angemessen sein, aber es sieht so aus, als hätte die IWF überreagiert. Denn rein rechtlich gesehen scheint das Cover in Ordnung zu sein; es wurde zwar nach der Veröffentlichung zumindest in den USA geändert, das lag aber an heftigem öffentlichen Protest, nicht daran, dass das Bild illegal gewesen wäre. Auch nach britischem Recht gibt es ganz offensichtlich kein Problem, und ein neugieriger Wikipedianer hat in einem Musikgeschäft zumindest auf der Rückseite eines anderen Albums der Scorpions auch das umstrittene Bild gefunden.
Was heißt das für die Wikipedia? In der englischen ist dadurch mal wieder die Diskussion aufgekommen, ob man das Bild nicht aus dem Artikel entfernen sollte. Das Ergebnis ist bisher dasselbe wie jedesmal vorher: das Bild an sich ist legal und darf in der englischen Wikipedia auch ohne freie Lizenz als fair use gezeigt werden, gerade weil im Artikel ausführlich auf die Kontroverse eingegangen wird.
Neben der Tatsache, dass mindestens ein Artikel und ein Bild für britische Nutzer gesperrt sind, ergibt sich durch die Proxys, dass praktisch alle britischen Internetnutzer über eine handvoll IP-Adressen zugreifen. Damit werden mit jedem gesperrten IP-Vandalen möglicherweise Millionen von anderen Benutzern ebenfalls gesperrt.
Wie das ausgehen wird, weiß noch niemand, aber eins ist klar: für die kommende Woche ist den Medien ihr großes Wikipedia-Thema sicher. Schade, denn die Themen der ausklingenden Woche – die zweckgebundene Spende für die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit und die Bilder des Bundesarchivs – waren mir jedenfalls deutlich lieber.